Quantcast
Channel: Laudetur Jesus Christus » Kontinuität
Viewing all articles
Browse latest Browse all 7

Das Konzil und die Hermeneutik der Kontinuität

$
0
0

2012 ist ein Jahr, in dem das Zweite Vatikanische Konzil wieder auf die Tagesordnung kommt, seine Einberufung jährt sich zum 50. mal. Die ersten Veranstaltungen sind bereits in den Startlöchern, die Bücher und Artikel werden sicherlich unzählbar werden.

In diesem Jahr wird auch ein Begriff Benedikts XVI. – teils erklärend, teils polemisch – häufig genannt werden, nämlich der Begriff der ‚Hermeneutik der Kontinuität’. Der Papst hatte ihn zum Verständnis des Konzils geprägt. Bevor also das Gedenkjahr in vollen Schwung kommt, einige Gedanken dazu:

In seiner Ansprache vom Dezember 2005 an die Mitarbeiter der vatikanischen Kurie hat Benedikt XVI. diese Formulierung das erste mal für die weite Öffentlichkeit gebraucht. Er entwickelte seine Gedanken zum Anlass an das Gedenken zum 40. Jahrestag des Endes des Konzils, der damals gerade begangen worden war. Der Papst stellt vier Fragen:

„Welches Ergebnis hatte das Konzil?
Ist es richtig rezipiert worden?
Was war an der Rezeption des Konzils gut, was unzulänglich oder falsch?
Was muss noch getan werden?“

Benedikt XVI. spricht von den Schwierigkeiten bei der Rezeption des Konzils.

„Alles hängt ab von einer korrekten Auslegung des Konzils oder – wie wir heute sagen würden – von einer korrekten Hermeneutik, von seiner korrekten Deutung und Umsetzung.“ Damit ist das Stichwort gefallen. Der Papst diagnostiziert zwei verschiedene Hermeneutiken, die in Konfrontation stehen. Die eine nennte er „Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches“, sie habe Verwirrung gestiftet, aber Wohlwollen bei den Massenmedien und bei einem Teil der modernen Theologie gefunden. Die andere ist die „Hermeneutik der Reform“: Sie habe Früchte getragen, wenn auch in Stille. Ihr gehe es um die Erneuerung „unter Wahrung der Kontinuität; die Kirche ist ein Subjekt, das mit der Zeit wächst und sich weiterentwickelt, dabei aber immer sie selbst bleibt, das Gottesvolk als das eine Subjekt auf seinem Weg.“

Vielleicht ist diese erste Aussage des Papstes ja genau so einfach zu verstehen, wie sie ausgedrückt ist: Wer sich dem Konzil nähert, darf nicht erwarten, dass dort etwas Neues erfunden wurde, es ging um die Erneuerung. Und diese kann man nur mit Blick darauf verstehen, was erneuert werden soll, also mit Blick auf die Kirche mit ihrer gesamten Geschichte. Diese darf nicht verloren oder abgeschnitten werden, sonst besteht das „Risiko eines Bruches zwischen vorkonziliarer und nachkonziliarer Kirche“, so der Papst.

 

Dynamik und Treue

Der Papst macht dann in der Ansprache eine zweite Analyse: Wer die ‚Hermeneutik des Bruches’ anwende, der schaue nicht auf die Texte des Konzils, sondern unterwerfe sie bereits einer Deutung. Diese Deutung gehe davon aus, dass der ‚Geist’ des Konzils im Elan zu finden sei, nicht in den Texten. Hier müsse man fortfahren, nicht bei den aus Kompromissen entstandenen Texten selber. „Mit einem Wort, man solle nicht den Konzilstexten, sondern ihrem Geist folgen.“

Hier sei ein fehlendes Verständnis dafür festzustellen, was denn ein Konzil eigentlich ist. Es ist keine „verfassungsgebende Versammlung“, die etwas Altes außer Kraft und etwas Neues einsetzen kann. Es gelte nicht, Neues zu schaffen, sondern Treu zum Alten zu stehen, dass auf Gott selbst zurück gehe und den Menschen anvertraut sei. Hier werde deutlich, „wie in einem Konzil Dynamik und Treue eins werden müssen.“

Dagegen hätten bereits die beiden Konzilspäpste, Johannes XXIII. und Paul VI. sehr deutlich gemacht, dass es beim Konzil darum gehe, die Lehre treu zu übermitteln. Auch hier wieder der Begriff der Treue.

„Es ist notwendig, die unumstößliche und unveränderliche Lehre, die treu geachtet werden muss, zu vertiefen und sie so zu formulieren, dass sie den Erfordernissen unserer Zeit entspricht. Eine Sache sind nämlich die Glaubensinhalte, also die in unserer ehrwürdigen Lehre enthaltenen Wahrheiten, eine andere Sache ist die Art, wie sie formuliert werden, wobei ihr Sinn und ihre Tragweite erhalten bleiben müssen“ zitiert Benedikt XVI. seinen Vorgänger Johannes XXIII.

Es brauche bei neuen Formulierungen eine lebendige Beziehung zu den Inhalten, das allein schließt den Bruch schon aus.

„40 Jahre nach dem Konzil können wir die Tatsache betonen, dass seine positiven Folgen größer und lebenskräftiger sind, als es in der Unruhe der Jahre um 1968 den Anschein haben konnte. Heute sehen wir, dass der gute Same, auch wenn er sich langsam entwickelt, dennoch wächst, und so wächst auch unsere tiefe Dankbarkeit für das Werk, das das Konzil vollbracht hat.“

 

Das Evangelium und die Moderne

Der Papst schlägt in seiner Ansprache dann den großen Bogen über die vergangenen 400 Jahre, um die Hauptaufgabe des Konzils zu beschreiben: Die Formulierung des Glaubens im Angesicht der Moderne. Eine Moderne, die sich ebenfalls entwickelt hat, von radikaler Gottferne zur Einsicht, dass die Wirklichkeit größer ist als zum Beispiel die wissenschaftliche Methode sie bestimmen könne. Mit der sich verändernden Wirklichkeit veränderten sich aber auch die Antworten der Kirche auf diese Wirklichkeit: Die Antworten der Kirche auf vorübergehende Fragen, etwa in Bezug auf konkrete politische oder philosophische Theorien, waren selber auch vorübergehend. Ihnen zu Grunde lagen aber immer grundsätzliche Entscheidungen, die vielleicht nicht immer sichtbar waren, die aber beständig blieben. Diese beiden – das Grundsätzliche und das Veränderbare – musste die Kirche lernen zu unterscheiden.

 

Das Gleiche gilt nun auch beim Verstehen des Konzils zu beachten: Es hat bei aller scheinbaren Diskontinuität die wahre Identität der Kirche „bewahrt und vertieft“. „Die Kirche war und ist vor und nach dem Konzil dieselbe eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die sich auf dem Weg durch die Zeiten befindet; sie „schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin“ und verkündet den Tod des Herrn, bis er wiederkommt (vgl. Lumen gentium, 8).“

 

Ein Zeichen, dem widersprochen wird

Und noch ein Wort zur Moderne. Auch vom Konzil habe man nicht erwarten können, dass durch ein grundsätzliches „Ja“ zur Moderne alles Spannungen gelöst seien. Die erlangte Öffnung gegenüber der Welt verwandle nicht einfach alles in reine Harmonie, so der Papst. Es gebe weiterhin Spannungen und Widersprüche innerhalb der Moderne und im Menschen. Die könne man nicht einfach ablegen.

„Auch in unserer Zeit bleibt die Kirche ein „Zeichen, dem widersprochen wird“ (Lk 2,34) (…) Es konnte nicht die Absicht des Konzils sein, diesen Widerspruch des Evangeliums gegen die Gefahren und Irrtümer des Menschen aufzuheben.“

Es sei dem Konzil um die „Größe und Klarheit“ des Evangeliums und seiner Verkündigung für die Welt gegangen. Dies sei immer schon Anliegen der Konzilien und nicht nur der Konzilien gewesen, der Papst zitiert hier den ersten Petrusbrief, in dem dieses Prinzip bereits zu finden sei (1 Petr 3,15).

 

Erneuerung

Das Konzil liefere also nicht einfachhin eine Weltbejahung, sondern immer auch die Konfrontation und der Dialog zwischen Evangelium und Welt.

„Jetzt muss dieser Dialog weitergeführt werden, und zwar mit großer Offenheit des Geistes, aber auch mit der klaren Unterscheidung der Geister, was die Welt aus gutem Grund gerade in diesem Augenblick von uns erwartet. So können wir heute mit Dankbarkeit auf das Zweite Vatikanische Konzil zurückblicken: Wenn wir es mit Hilfe der richtigen Hermeneutik lesen und rezipieren, dann kann es eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche sein und immer mehr zu einer solchen Kraft werden.“


Viewing all articles
Browse latest Browse all 7

Latest Images





Latest Images